Unser Auftrag ist nicht, über die Erde zu „herrschen“, wie es uns gefällt, sondern verantwortungsvoll mit der Schöpfung umzugehen, die uns anvertraut ist und deren Teil wir sind. Wo das in der Bibel steht, zeigt Friedrich Bernack, Referent für Theologische Erwachsenenbildung.
Menschen betrachten sich gerne als „Krone der Schöpfung“. Und berufen sich dabei auf die erste Seite der Bibel. Da wird der Mensch ganz am Ende, als Höhepunkt der Geschöpfe genannt. Noch deutlicher: Gott macht die Menschen als sein „Abbild“ und gibt ihnen den Auftrag „Seid fruchtbar und vermehrt euch, bevölkert die Erde, unterwerft sie euch, und herrscht über die Fische des Meeres, über die Vögle des Himmels und über alle Tiere, die sich auf dem Land regen.“ (Genesis 1,27-28) Diesen „Auftrag“ haben wir ja eingehend befolgt.
Immerhin steht eine Seite weiter, im 2. Kapitel der Genesis, ein etwas anderer Satz: Gott setzt den Menschen in den Garten Eden, „damit er ihn bebaue und hüte.“ (V. 15) Das schränkt das „Unterwerfen“ schon ein. Und auch mit dem „Abbild Gottes“ ist es so eine Sache. Die Bibelwissenschaft sagt uns, damit sei eine Art Repräsentation Gottes in der Welt gemeint. Wir sind also nicht „gottgleich“ und können tun und lassen, was wir wollen. Wir stehen an Gottes Stelle und sollen die Welt in seinem Sinn „verwalten“ – eben „bebauen und hüten“.
Was passieren kann, wenn die Menschheit das vergisst, schildert eine prophetische Vision, die zur selben Zeit geschrieben wurde wie das erste Kapitel der Genesis. „Sie wissen, wie man Böses tut, aber Gutes zu tun verstehen sie nicht. Ich schaute die Erde an: Sie war wüst und wirr. Ich schaute zum Himmel: Er war ohne sein Licht. Ich schaute die Berge an: Sie wankten, und alle Hügel bebten. Ich schaute hin: Kein Mensch war da, auch alle Vögel des Himmels waren verschwunden. Ich schaute hin: Das Gartenland war Wüste, ... Ja, so spricht der Herr: Das ganze Land soll zur Öde werden; …“ (Jeremia 4,22ff.) Der Prophet sieht sozusagen den Film der Schöpfung rückwärts ablaufen. Menschen, Tiere und Pflanzen verschwinden, das Licht geht aus, am Ende ist wieder alles „wüst und wirr“. Und warum? Weil die Menschen nicht mehr wissen, was sie tun. Beziehungsweise sich nicht mehr darum scheren, was gut und was böse, was richtig und was falsch ist. So gesehen, ist auch Genesis 1 eine Mahnung, kein Freibrief.
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Noch ein kurzer Blick auf zwei andere Schöpfungstexte. Im Buch Ijob nimmt Gott Ijob sozusagen mit auf einen Rundgang durch die Schöpfung (Kap. 38-41). Es wurde oft gefragt, was der Sinn dieses Rundgangs ist. Ijob klagt ja, weil er sich völlig zu Unrecht ins Leid gestürzt sieht. Und bekommt von Gott keine Antwort. Und doch sagt er nach diesem Rundgang: „Ich habe im Unverstand geredet über Dinge, die mir zu hoch sind.“ Ihm ist also etwas Wesentliches aufgegangen. Wenn man die vier Kapitel liest, fällt auf, dass darin alle möglichen Elemente der Schöpfung vorkommen, nur nicht der Mensch. Erde und Meer, Regen und Schnee, die Sterne und Sternbilder. Und dann die ganzen Tiere: Steinbock, Maultier, Adler, Nilpferd und Krokodil. Schöpfung ist viel, viel mehr als nur die „Umwelt“ des Menschen. Der Mensch ist nicht Maß aller Dinge. Ijob hilft diese Erkenntnis offenbar, er kann aufhören, nur um sich und seine Situation zu kreisen. Zugegeben: Das Buch Ijob enthält noch unendlich viele andere Aussagen – das gehört aber nicht hierher.
Und dann ist da der berühmte „Schöpfungspsalm“ 104 - wieder so ein staunender Rundgang durch die großartige Schöpfung. Von seinen 35 Versen reden gerade einmal drei vom Menschen. Auch ein heilsamer Text für das anthropozentrische - menschenzentrierte - Weltbild mit seinen unheilvollen Auswirkungen. Und ganz am Ende des Psalms tauchen die „Frevler“ auf. Sie sollen von der Erde verschwinden – und nicht die Schöpfung gefährden.
Noch einmal: Unser Auftrag ist nicht, über die Erde zu „herrschen“, wie es uns gefällt, sondern verantwortungsvoll mit der Schöpfung umzugehen, die uns anvertraut ist und deren Teil wir sind. Falls nicht, droht das, was auch in der Genesis erzählt wird, und zwar „weil auf der Erde die Schlechtigkeit des Menschen zunahm“ und er die Erde verdorben hatte: eine neue Sintflut (6,7). Gott hat zugesagt, dass er nie wieder die Erde überfluten wird. Aber wir sind auf dem besten Weg, es selbst zu tun.
Ihr Friedrich Bernack