Drei Ansätze, wie dem fehlenden Bewusstsein für Rassismus und Diskriminierung entgegengewirkt werden kann, spricht Magdalena Falkenhahn, Referentin für (Inter-)Kulturelle Bildung in diesem Blogbeitrag an.
mit Andrea Gugger-Diouf
mit Dr. Eva Bahl und Katharina Ruhland
Deutliche Kritik musste der WDR Anfang Februar 2021 für die Ausstrahlung einer Folge der Talk-Sendung „Die Letzte Instanz“ mit den Gästen Micky Beisenherz, Thomas Gottschalk, Janine Kunze und Jürgen Milski ernten. Die ausschließlich mit weißen1 Personen besetzte Talkrunde diskutierte unter anderem, ob die Umbenennung von Lebensmitteln, Gerichten und Orten, die bisher mit rassistischen und abwertenden Bezeichnungen versehen waren, notwendig sei. Die Gäste, die allesamt keiner der diskriminierten Gruppen angehörten, waren sich schnell einig: Sie verteidigten in unreflektierter und empathieloser Art die herabwürdigenden Bezeichnungen. Dies führte zu einem Sturm der Entrüstung und scharfen Kritik, nicht nur aus der Reihe der Diskriminierten.
Die Selbstverständlichkeit, mit der in der Runde verletzende und traumatisierende Begriffe legitimiert wurden, zeigt einmal mehr, wie wenig Bewusstsein es in der weißen Mehrheitsgesellschaft für Privilegien sowie für strukturellen Rassismus und Diskriminierung gibt.
Die kritische Weißseinsforschung setzt an diesem Punkt an und möchte Weißsein als Norm benennen, denn: weiße Menschen nehmen gesellschaftlich eine privilegierte Sonderrolle ein. Die weiße Perspektive ist in Deutschland überall abgebildet und stellt den unsichtbaren Maßstab dar. Solange dies nicht erkannt und benannt wird, werden rassistische Hierarchien und Denkmuster fortgeschrieben, da nicht-weiße Personen stets als (minderwertige) Abweichung markiert werden.
„Was wir tun sollten ist zu verstehen wie stark Weißsein als unsichtbare Macht überall und zu fast jedem Zeitpunkt wirkmächtig ist. Und dass diese Unsichtbarkeit und Weißsein nicht benennen zu müssen in sich selbst ein großes Privileg ist.“ (Tupoka Ogette)
Als weiß sozialisierte Person die eigenen Denk- und Verhaltensweisen kritisch zu hinterfragen, ist ein mühsames Unterfangen: Welche Vorteile habe ich im Alltag, zum Beispiel bei der Wohnungs- oder Jobsuche? Welche Bilder habe ich im Kopf, wenn ich an Afrika denke und bin ich mir bewusst, welche Auswirkungen meine Sprache für bestimmte Personen(gruppen) hat?
Diesen Fragen auf den Grund zu gehen, stellt einen wichtigen Schritt im antirassistischen Lernprozess dar. Ebenso ist ein Blick in die deutsche Kolonialgeschichte hilfreich, um die lange Geschichte völkischen und rassifizierten Denkens nachvollziehen zu können.
„Es ist wichtig, die Vergangenheit zu kennen, um zu verstehen, was in der Gegenwart geschieht. Wenn ich verstehen will, warum es in unseren Gesellschaften Rassismus gibt, muss ich mich mit Menschenzoos, Geschichte der Kolonialisierung und Sklaverei beschäftigen. Nur dann werde ich verstehen, warum es bis heute einen Herrschaftsanspruch gibt.“ (Lilian Thuram, Arte Doku „Die Wilden“ in den Menschenzoos)
Die koloniale Vergangenheit prägt bis heute unser Weltbild, ihre Spuren sind im öffentlichen Raum noch immer zu erkennen, ob in Straßennamen, Statuen, Werbeplakaten – und in unseren Büchern.
Damit sei ein dritter wichtiger Punkt auf den Weg hin zu einer diversitätsbewussten Gesellschaft benannt: Die Geschichten, die wir erzählen.
In diesem Blog-Beitrag wurde bereits die Wirkmächtigkeit der Sprache erwähnt, die in der Macht von Geschichten – von Narrativen – eine Ergänzung erfährt, denn: Sprache beschreibt nicht nur Realität, sondern erschafft diese. Wer ist sichtbar, wer unsichtbar? Wer darf als Individuum sprechen und wer wird stets auf die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe reduziert?
Gerade für Kinder und Jugendliche spielen Geschichten eine große Rolle in der Entwicklung eines positiven Selbst- und Weltbildes:
„Kinderbücher sind identitätsstiftend und vermitteln ein Bild darüber, wo ich mich in der Gesellschaft ein- und unterzuordnen habe. Kinder (und üblicherweise auch erwachsene Leser:innen) identifizieren sich mit den Held:innen der Geschichte – nicht mit den Nebencharakteren. Finden sie sich selber jedoch nur in den Nebenrollen oder gar nicht wieder, so bedarf es einiger (pädagogischer) Arbeit, dieses Bild zu verändern.“ (Oda Stockmann, Weg mit den ollen Büchern – her mit Vielfalt in Kinderbüchern!)
Viele Kinder- und Jugendbücher sind nach wie vor angefüllt mit traditionellen Familienvorstellungen, weißen und nicht-behinderten Kindern sowie stereotypen Bildern von Menschen anderer Kulturen und Länder. Dabei ist die Literaturlandschaft viel bunter als man es auf den ersten Blick meinen könnte: Es finden sich durchaus Kinderbücher gegen Rollenklischees. Bei einigen Verlagen thematisieren Kinderbücher Diversität und Inklusion. Das birgt die Chance, interessante neue Geschichten und Lebensrealitäten zu entdecken – und davon profitieren letztlich alle!
[1] weiß und Schwarz bezieht sich in diesem Text nicht auf Farbbezeichnungen, sondern beschreiben politische wie soziale Konstruktionen und werden deswegen kursiv bzw. groß geschrieben. In diesem Text wird weiß kursiv geschrieben, um das Wort als soziale Kategorie zu kennzeichnen.