Der Tapetenwechsel für das Klima - vom Abtragen alter Schichten, Entdecken verborgener Schätze und von Werkzeugen, die den neuen Anstrich zum Glänzen bringen.
Angeregt durch die diesjährige Weltladen-Kampagne "Tapetenwechsel", die Ideen für ein neues Miteinander und klimafreundliches Leben sammelt, haben auch wir uns gefragt: Wie könnte dieser Tapetenwechsel für das Klima denn eigentlich aussehen?
Der erste Schritt bei so einem Tapetenwechsel ist in der Regel, die alte Tapete abzuziehen. An manchen Wänden ist das vielleicht ganz leicht, an anderen eine zähe Angelegenheit. Genauso verhält es sich mit den individuellen Verhaltensänderungen: Manches fällt uns leicht, in unseren Alltag zu integrieren (wie z. B. das Verwenden eines Jutebeutels beim Einkaufen). An anderen Verhaltensweisen scheitern wir jedoch immer wieder (z. B. wenn der Flug in den Urlaub dann doch attraktiver ist als die Bahnfahrt). Woran das liegt und wie man dennoch „ins Tun“ für eine klimafreundlichere Welt kommen kann, können Sie hier nachlesen.
Ist die alte Tapete abgetragen, kommt manchmal etwas zum Vorschein, was lange verborgen war und auf das man sich bei der Neugestaltung der Wände beziehen kann: Eine alte Wandfarbe, eine besondere Struktur…
Einen achtsamen Blick auf das zu werfen, was „dahinter“ liegt, kann auch in Hinblick auf die sozial-ökologische Transformation ein wertvolles Instrument sein. Wie in der aktuellen Studie der Deutschen Bischofskonferenz „Wie sozial-ökologische Transformation gelingen kann“ vermerkt ist, wird die kulturelle Dimension bei Veränderungsprozessen oft vernachlässigt.
Als „unsichtbare Landkarte“ gibt die Kultur den Menschen Orientierung und Halt und ist gemeinschaftsstiftend. Um es an einem Beispiel konkret zu machen: Feste und Feiertage werden oft mit Essenstraditionen in Verbindung gebracht. Die Forderung nach einem veränderten Konsumverhalten (z. B. hinsichtlich Fleischwaren) betrifft somit nicht nur die Essgewohnheiten, sondern ist für viele auch mit einem Gemeinschaftsgefühl verbunden (vgl. „Wie sozial-ökologische Transformation gelingen kann“, S.48f). Sich dies bewusst zu machen, kann für die Umsetzung dieses Wandels von Vorteil sein: So lassen sich sinnstiftende Faktoren von Festen über Essenstraditionen hinaus stärken. Gerade bei (religiösen) Feiertagen bestehen in vielen Kulturen landwirtschaftliche Bezüge. Die dahinterliegenden Zugänge und Werte hinsichtlich des Umgangs mit der Natur zu befragen und darüber in den Austausch zu kommen, kann ein Schlüssel sein, blockierende Haltungen zu lösen und Veränderungen möglich zu machen.
Wie beim Renovieren braucht jeder Schritt die richtigen Werkzeuge, um den neuen Anstrich zum Glänzen zu bringen. Aktuell scheint dies in der Klimapolitik nicht der Fall zu sein, denn gerade das bereits vorhandene Wissen über Gemeinsinn und Naturbezüge vermag sich gegenwärtig nur schwerlich und unzureichend gegenüber eines auf Wachstum ausgerichteten Wirtschaftssystems durchzusetzen. Die Gründe für diese Nicht-Handeln sind vielschichtig und lassen sich dennoch als Ausdruck eines systematischen Unvermögens deuten. Der Philosoph Jürgen Habermas spricht beispielweise von einer „Kolonialisierung der Lebenswelt“, um den strukturellen Einfluss unsere Wirtschaftsweise auch auf unser politisches Handeln herauszustellen. Dabei gilt es genau diese Dynamik umzudrehen: Nur wenn es gelingt die grundlegenden Koordinaten unseres wirtschaftlichen Handelns unter dem Primat der Politik neu auszurichten, kann diese Herausforderung - die Folgen des Klimawandels noch abzuschwächen - gelingen. Die Bundesregierung hat – so zeigt auch der jüngste Beschluss des Bundesverfassungsgerichts - nach allen wissenschaftlichen Maßstäben bisher zu wenig in dieser Hinsicht unternommen. Es ist unsere demokratische Aufgabe die politisch Verantwortlichen daran am 26. September ebenfalls zu erinnern, um den Tapetenwechsel für eine klimafreundliche Zukunft voranzutreiben.
Angesichts all der Missstände und Herausforderungen, mit denen wir hinsichtlich des Klimawandels konfrontiert sind, scheint die Chance oftmals gering, dass die sozial-ökologische Transformation gelingt. Umso wichtiger ist es, eine klare Vision und positive Zielperspektive vor sich zu haben („Wie sozial-ökologische Transformation gelingen kann“, S.32). Beim Renovieren ist es das Bild des fertig renovierten Zimmers, das wir uns immer wieder innerlich hervorrufen können, wenn uns zwischen Tapetenschnipseln, Kleister und Farbtöpfen manchmal der Mut für das Projekt verlässt. Beim Tapetenwechsel für das Klima kann es die Frage sein „Wie sieht die Welt 2030 um mich herum aus, wenn wir den Wandel für eine klimafreundliche Zukunft geschafft haben?“. Erste Impulse gibt dazu die Zukunftsforscherin Luise Tremel im Podcast von Luisa Neubauer.
Gehen wir diesen Wandel also mit Mut, Visionen und einer tiefen Verbundenheit untereinander an!
Magdalena Falkenhahn, Kai Kallbach und Tabea Janson