#beziehungsweise Rosch ha-Schana
Im Herbst häufen sich die jüdischen Feiertage. Den Auftakt macht am 7./8. September das Neujahrsfest (Rosch ha-Schana). Eine gute Woche später, am 16. September, folgt der höchste Feiertag im jüdischen Kalender, der Versöhnungstag (Jom Kippur). Vom 21.-27. September wird das Laubhüttenfest (Sukkot) gefeiert. Und den Abschluss bildet Simchat Tora, das Fest der Torafreude am 29. September.
Neujahr ist im Judentum ein eher ernstes Fest. Man zieht Bilanz, denkt über sein Verhalten in den vergangenen Monaten nach. Wenn möglich, entschuldigt man sich, versucht, sich zu versöhnen, alles wieder gut zu machen. Ein Brauch, den viele an diesem Tag pflegen, ist der sogenannte Taschlich: Man krempelt alle Taschen um und leert sie aus, befreit sich also symbolisch von alten Lasten.
Zu Rosch ha-Schana gehört aber auch ein festliches Essen, man feiert schließlich sozusagen den Jahrestag der Erschaffung der Welt. In Honig getauchte Apfelspalten symbolisieren die Hoffnung auf ein gutes, „süßes“ Jahr.
Es folgt eine zehntägige Bußzeit, die ihren Höhepunkt mit dem Versöhnungstag findet. Jom Kippur heißt Tag der Sühne, wörtlich: Tag des Zudeckens (nämlich unserer Schuld durch Gott). Es ist ein Tag der Reue und Umkehr, ein strenger Fasttag, an dem auch jede Arbeit verboten ist. Auch viele sonst nicht religiöse Jüdinnen und Juden halten diesen Tag ein. Im Buch Leviticus (Kap. 16) wird ausführlich beschrieben, wie dieser Tag zur Zeit des Tempels mit vielen Bräuchen begangen wurde.
In einem der Gottesdienste an Jom Kippur wird das Buch Jona gelesen. Das ist naheliegend, wird doch hier erzählt, dass Gott den Menschen in Ninive ihre Schuld vergibt. Ein Rabbiner hat mich allerdings darauf hingewiesen, dass es noch unter einem anderen Aspekt sehr zu diesem Tag passt. Es ist ja kein „normales“ Prophetenbuch, sondern fast so etwas wie eine Satire. Jona freut sich nicht etwa über den Erfolg seiner Bußpredigt, sondern ist zutiefst verärgert über die Großmut Gottes den Heiden gegenüber. Er steht damit als warnendes Beispiel für Menschen, die sich selbst für moralisch perfekt halten und auf „die anderen“ herunterschauen. Jede und jeder bedarf der Vergebung Gottes – das ist die Botschaft dieses Tages.
Fünf Tage danach beginnt Sukkot, das Laubhüttenfest. Es erinnert an die Wanderung durch die Wüste nach der Flucht aus Ägypten, als die Israeliten in provisorischen Behausungen wohnten. Wo immer sich dafür Platz findet – im Garten, auf dem Balkon – wird eine Sukka errichtet, aus Zweigen, Stroh und Laub. Und in der Laubhütte wird dann gegessen und möglichst viel Zeit verbracht. Wo das nicht möglich ist, wird das Zimmer entsprechend geschmückt.
Sukkot hat auch den Charakter eines Erntedankfestes, deshalb gehört ein Festtagsstrauß („Lulaw“) dazu. Sukkot ist ein fröhliches Fest, gerade Kinder haben viel Spaß daran, in der Hütte im Freien zu übernachten.
Die ökumenisch verantwortete Kampagne „#beziehungsweise –jüdisch und christlich: näher als du denkst“ möchte dazu anregen, die enge Verbundenheit des Christentums mit dem Judentum wahrzunehmen. Weitere spannende Beiträge, Informationen und Artikel gibt es auf der Website zu entdecken.
Mit dem Freudenfest Simchat Tora geht die lange Reihe von Feiertagen zu Ende. An diesem Tag wird im Gottesdienst der letzte Abschnitt der Tora (den fünf Büchern Moses) gelesen und man beginnt gleich wieder mit dem ersten Abschnitt – das Toralesen hat niemals ein Ende.
Der Name Simchat Tora, also „Freude am Gesetz“ drückt sehr gut aus, welche Bedeutung die Tora im Judentum hat. Es ist kein Gesetz, das den Menschen das Leben schwer macht, sondern es ist Lebenshilfe, es dient dazu, dass unser Zusammenleben gelingt. Im Mittelpunkt steht an diesem Tag natürlich die Torarolle. Sie wird nicht nur – wie in jedem Sabbatgottesdienst – feierlich durch den Raum getragen, sondern man tanzt mit ihr durch die ganze Synagoge und sogar durch die Straßen. Das zeigt, dass Gottesdienst und ausgelassen feiern keine Gegensätze sein müssen! Und wenn Sie Bilder sehen wollen, suchen Sie einfach unter „Simchat Tora“ im Internet.
Friedrich Bernack