ist für Direktorin Dr. Claudia Pfrang das Vertrauen darauf, dass aus dunklen Lebensmomenten immer auch lichtvolle Kräfte erwachsen, durch die wir uns dem Leben mit all seinen Herausforderungen wieder gut stellen können.
Es fällt schwer, in diesen Zeiten unverzagt zu bleiben, zu groß sind die Herausforderungen dieser Zeit, die buchstäblich auf uns lasten. Was bisher getragen hat an scheinbaren Sicherheiten, Gewissheiten und Idealen, trägt nicht mehr. Der Blick in die Zukunft ist längst nicht mehr so klar und verheißungsvoll. Das führt nicht selten zu einem Gefühl von Hilf-, Halt- und Orientierungslosigkeit und nicht von Neugier, Vorfreude, Zuversicht und Hoffnung auf Neues, was an den Bruchlinien des Lebens ebenfalls aufbrechen kann.
Mich hat in diesen Wochen der Fastenzeit der Gedanke „Sieben Wochen ohne Verzagtheit“ der Aktion der evangelischen Kirche „7 Wochen ohne“ nachhaltig gestärkt: Auf das zu schauen, was in meinem Leben Licht gibt und hell ist. Lichtquellen meines Lebens aufzuspüren, mein eigenes Licht zum Leuchten zu bringen. Den Blick darauf zu richten, dass Menschen mich durchs Leben begleiten und ich mich getragen wissen darf von der Solidarität anderer. Trotz all dieser stärkenden Lichtmomente geht unverzagt bleiben nicht, ohne sich den Dunkelheiten im Leben zu stellen, sich dem zu stellen, was mich verzagen lässt: meinen Ängsten und Sorgen. Angst und Mut gehören untrennbar zusammen.
Unverzagt bleiben und sich beherzt den Dunkelheiten des Lebens stellen, ist eine Herausforderung. Bei allem Unsicheren in diesen besonderen Zeiten, dennoch an das Leben zu glauben, ist für mich in den letzten beiden Jahren zu einer Lebensaufgabe geworden. Wie gelingt es, mit einem zutiefst realistischen Blick auf die Herausforderungen der Welt zu blicken und diesen mit einer Perspektive der Hoffnung zu verbinden, einer Hoffnung, die nicht auf das Jenseits vertröstet, sondern aktiviert?
Nacht
Angst
Anklagen
Weinen
Manchmal
Ist die Nacht lang
Nur langsam ein Schimmer sichtbar
Nur zögerlich stellt sich Tag ein
Auferstehung verzögert sich
CLAUDIA PFRANG
Aus christlicher Sicht ist uns ein Leben in Fülle, ein erfülltes, glückliches, sinnvolles Leben verheißen. Doch was heißt das heute konkret? Wie können wir ein solches Leben führen? Welche Vorbilder gibt es und was haben sie uns heute noch zu sagen? Welche Rolle spielt dabei die Kirche als Gemeinschaft der Glaubenden? Lassen Sie sich ein auf einen Weg, der nicht wegführt, sondern zu sich selbst, der sich von anderen inspirieren lässt und Menschen wieder anzieht.
Von dieser Spannung sind auch die Tage von Karfreitag bis Ostern geprägt. Und vielleicht gilt es mehr als bisher, diese Spannung bewusst zu machen und sie nicht vorschnell Richtung Auferstehung aufzulösen. Wo erlebe ich Karfreitag in meinem Leben? Tage der Dunkelheit, der Verzweiflung, der Tränen, Tage voller Zorn und Wut? Tage, an denen ich es aus eigener Kraft nicht vermag, aufzustehen und einen nächsten Schritt zu tun?
Wo erlebe ich Karsamstage, Tage der inneren Leere und Stille, Tage, an denen ich mich in der Finsternis umschaue und nur oder doch so manches schwache Licht erkenne?
Wo habe ich erlebt, dass mir neue Kraft zugewachsen ist? Wo habe ich Verwandlung erfahren?
Ich glaube, dass fast alle unsere Traurigkeiten Momente der Spannung sind, die wir als Lähmung empfinden, weil wir unsere befremdeten Gefühle nicht mehr leben hören. Weil wir mit dem Fremden, das bei uns eingetreten ist, allein sind, weil uns alles Vertraute und Gewohnte für einen Augenblick fortgenommen ist; weil wir mitten in einem Übergang stehen, wo wir nicht stehen bleiben können. Darum geht die Traurigkeit auch vorüber: das Neue in uns, das Hinzugekommene, ist in unser Herz eingetreten, ist in seine innerste Kammer gegangen und ist auch dort nicht mehr, - ist schon im Blut. Und wir erfahren nicht, was es war. Man könnte uns leicht glauben machen, es sei nichts geschehen, und doch haben wir uns verwandelt, wie ein Haus sich verwandelt, in welches ein Gast eingetreten ist. Wir können nicht sagen, wer gekommen ist, wir werden es vielleicht nie wissen, aber es sprechen viele Anzeichen dafür, dass die Zukunft in solcher Weise in uns eintritt, um sich in uns zu verwandeln, lange bevor sie geschieht.
Rainer Maria Rilke (aus: Briefe an einen jungen Dichter)
Die Osterliturgie kennt eine enge Verschränkung dieser drei Tage und nennt sie das Triduum Sacrum, die heiligen drei Tage. Vielleicht ist dies das Geheimnis eines unverzagten Lebens, das Christ:innen im Geheimnis des Glaubens an Ostern jedes Jahr neu bezeugen sollen: Wir haben als Menschen keine andere Wahl als uns den Widrigkeiten des Lebens zu stellen. Und manchmal dauert die Nacht lange an und die Auferstehung verzögert sich. Wie Khalil Gibran schreibt, dürfen wir vertrauen: „In jedem Winter steckt ein zitternder Frühling, und hinter dem Schleier jeder Nacht verbirgt sich ein lächelnder Morgen.“
Vielleicht liegt in diesen besonderen Zeiten die Aufgabe und Herausforderung des Christentums: Leid und Unrecht, Gewalt und Machtmissbrauch, Leid und Sterben offen zu benennen, mit den Menschen durch die Nacht unterwegs zu sein, mit ihnen diese Nacht - und oft sind es Nächte - auszuhalten. Mit Jesus die Verlassenheit und Ungerechtigkeit an einen Gott zu adressieren, der, wie es die Erfahrungen vieler Urväter und -mütter im Glauben bezeugen, mit uns durch diese Lebensnächte unterwegs ist. Wir in diesen Nächten weinen und klagen, aber auch darauf vertrauen dürfen, dass sich die Nacht in einen Morgen wandelt, an dem wir neue Kraft finden, uns dem Leben mit all seinen Licht- und Schattenseiten zu stellen. Das ist für mich: Unverzagt leben. Diese Erfahrung wünsche ich Ihnen von Herzen.
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Text: Dr. Claudia Pfrang