Welche Rolle spielt die Künstliche Intelligenz eigentlich im kreativen Prozess und die Frage, wo ihre Grenzen liegen, stellt sich Domberg Direktorin Dr. Claudia Pfrang. Persönlichen Erfahrungen mit dem Schreiben zeigen auf, warum menschliches Nachdenken und Kreativität durch keine Technologie ersetzt werden können. Die Kunst besteht darin, in einer schnelllebigen Welt bewusst Zeit zum Reflektieren zu finden sowie über die Bedeutung des eigenen Denkens nachzudenken.
Was wird Sie bewegen, wenn Sie diesen Director‘s Blog lesen? Treffe ich den passenden Ton, verwende ich Worte, die Sie berühren, werden meine Gedanken bei Ihnen ankommen?
Dies sind Fragen, die mich im Vorfeld und beim Schreiben jedes Blogs bewegen, und ich freue mich, liebe Leser:innen, jedes Mal über Resonanz von Ihnen – ob positiv oder negativ. Beides hilft mir in meiner Arbeit bei der Domberg-Akademie, besser zu verstehen, was Sie interessiert und bewegt.
Doch jedes Mal ist „das weiße Blatt“ auf dem Monitor vor mir eine Herausforderung. Um die Angst davor zu umgehen, habe ich bereits einmal ChatGPT ausprobiert. Ich habe diese Künstliche Intelligenz mit den für mich wichtigen Stichworten gefüllt – im Fachjargon „ich habe gepromptet“ – und in diesem Fall das „Large Language Model“ (LLM) gebeten, einen Artikel zu schreiben. Heraus kam ein ganz passabler Text. Aber so würde ich ihn nie schreiben.
Die KI kann uns Recherchetätigkeiten abnehmen, kurze Programmtexte schreiben und Zusammenfassungen produzieren – das mittlerweile sehr gut. Ab und an setzen wir in der Domberg-Akademie KI zur Arbeitserleichterung ein. „Je mehr wir, eine ethisch politische Einhegung vorausgesetzt, die spezifische Kraft der KI als Entlastung und Unterstützung zum Zuge kommen lassen, desto mehr kann sich auch das entfalten, was eben nur der Mensch kann und die KI niemals können wird“, schreibt mein Kollege Dr. Thomas Steinforth im lesenswerten Blog zu unserem Saisonthema „Heilsversprechen KI. Mythen und Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz"
Immer wieder stellt sich also die Frage: Wo kann uns die KI entlasten und Freiräume schaffen – und was kann sie eben nicht, weil es spezifisch menschliche Fähigkeiten erfordert? Zum Beispiel beim Schreiben eines Textes, der ansprechen und bewegen soll.
Das Schreiben verdeutlicht für mich zwei Eigenschaften des Menschen im Unterschied zur Künstlichen Intelligenz: Kreativität und Nachdenken.
Die KI arbeitet mit Daten, Algorithmen und Wahrscheinlichkeiten. Für mich ist Schreiben ein höchst kreativer und persönlicher Prozess. Wenn ich beginne, habe ich in der Regel einige Ideen, aber der Text entsteht im Schreiben, in der Aneinanderreihung von Gedanken. Idealerweise fließen die Gedanken und Wörter in die Tastatur hinein, es entsteht ein Flow, am Ende ein Gefühl der Zufriedenheit und vielleicht sogar des Glücks.
Aber es gehört auch die leere Seite, das unbeschriebene Blatt dazu. Nicht umsonst sagt man, man brauche zum Schreiben einen freien Kopf. Ich jedenfalls brauche das, und so sind die frühen Morgenstunden oder Wochenenden für mich eher die Schreibzeiten als zwischen vielen Terminen im Laufe des Tages. Am Beginn steht das Nachdenken darüber, was wohl für Sie in Gesellschaft und Kirche wichtig ist. Ich lese und recherchiere – dabei helfen Suchmaschinen und KI, die wir auch in der Programmplanung einsetzen. Aber: Sie ersetzen nie das Nachdenken, das „theoretische Informationen, Erfahrungen, Empfindungen, Stimmungen miteinbezieht. Menschliches Nachdenken, das Gedanken hervorbringt, die sich aus dem permanenten Informationsstrom abheben.“ (Sibylle Anderl)
Die Zeit zum Nachdenken ist knapp geworden in der medial schnelllebigen und verdichteten Welt. Wenn wir Zeit haben, füllen wir sie oft sofort mit allerlei Social-Media-Ablenkungen. Zeit zum Nachdenken ist ein rares und kostbares Gut in Zeiten der aufgewühlten Stimmungen und rasanten Umbrüche. Wer kann es sich heute schon leisten, sich einfach mehrere Tage freizuhalten zum Nachdenken? Aber wir sollten es tun. Um komplexe Situationen zu durchdenken und zu informierten und begründeten Entscheidungen zu gelangen. Wer nie darüber nachdenkt, ob die Richtung stimmt, landet schnell in der Sackgasse. Und aus der holt uns auch die KI nicht heraus.
Wir hoffen sehr, dass unsere Herbst-Angebote für Sie gut durchdacht sind und Ihnen immer wieder Raum öffnen neu zu denken. Für den Herbst, der der bereits seine Vorboten geschickt hat und vielleicht auch für Sie mit einem vollen Arbeitsalltag und Terminkalender verbunden ist, wünsche ich Ihnen viele Nachdenk-Zeiten.
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Text: Dr. Claudia Pfrang