Kann, will, muss man den Glauben bekennen? Im Sonntagsgottesdienst gehört ein gesprochenes Glaubensbekenntnis dazu. Aber wie können Gläubige durch Worte und vor allem Taten echten Bekennermut zeigen? Und warum ist es genau das, was die Institution Kirche heute braucht?
Derzeit ist immer wieder von Bekenntnissen und vom Bekennen die Rede: etwa von Lippenbekenntnissen der Politik auf Klimakonferenzen wie auch aktuell in den Koalitionsverhandlungen, von Schuldbekenntnissen der Kirche infolge der Missbrauchsskandale oder von Bekennermut angesichts der Verletzung von Menschenrechten überall auf der Welt.
Bekenntnisse wollen ernstgenommen und in Handlungen übersetzt werden. Denn wo etwas bekannt wird, geht es meist nicht um etwas Lapidares, sondern um etwas, das für mich ganz persönlich oder aber eine Institution Relevanz und Folgen hat, einen öffentlichen Charakter aufweist. Wer sich bekennt, will buchstäblich „Farbe bekennen“, für etwas einstehen oder etwas eingestehen – nicht selten, weil das Gewissen dazu verpflichtet.
Kann man seinen Glauben bekennen? Muss man ihn bekennen? Will man ihn bekennen? Im Sonntagsgottesdienst gehört ein gemeinsam in der Öffentlichkeit der Gottesdienstgemeinschaft gesprochenes Glaubensbekenntnis dazu. Es ist die Antwort auf die Nähe Gottes in seinem Wort, Antwort auf die biblischen Lesungen und ihre Auslegung in der Predigt. Kurz gesagt: Ja, ich glaube an Gott den Schöpfer, an Jesus Christus, an den lebendig machenden Geist und an die Kirche.
Nicht selten höre ich in Gesprächen: An Gott, Jesus und Geist kann ich (noch) irgendwie glauben – aber an die Kirche? Nach allem, was in 2000 Jahren geschehen ist, was jüngst geschah, was weiter geschieht? Kriege, Missbrauch, Klerikalismus? Eine eindimensionale Antwort wird es sicher nicht geben, dafür ist Glaube und Glauben zu komplex und nichts Einfaches.
Für mich ist folgender Zugang zu Kirche immer wichtiger geworden: Christlich-österlicher Glaube beginnt – blickt man ins Neue Testament – mit einem Bekenntnis. Menschen geht die Bedeutung der Auferweckung Jesu aus dem Tod, also die Frohbotschaft, für ihr Leben auf. Seit rund 2000 Jahren bahnen sich diese Bekenntnisse ihren Weg durch die Geschichte, indem sie weitererzählt wurden und werden. Dabei rang und stritt man schon früh darum, was Ostern eigentlich ausmacht. Diese Erzählgemeinschaft wurde schnell zum Erzähl- und Überlieferungsraum der Bekenntnisse, zur Kirche.
Wir wollen wieder neu und besser verstehen, wie Kirche geglaubt werden kann.
Nach etwas mehr als 300 Jahren Christentumsgeschichte entstand ein zentrales Glaubensbekenntnis als Bekenntnisgrundlage für die große Mehrheit der Christusgläubigen bis heute. Und das Bekenntnis entstand, weil die Gläubigen ihren Glauben bekannten – und zwar nicht nur durch Worte, sondern durch ihr Leben. Dabei wuchs ihre Zahl auch deshalb, weil es keine Lippenbekenntnisse blieben, sondern sie vielmehr Bekennermut bis zum Tod in den römischen Verfolgungen bewiesen.
Besonders ihr Einsatz für die Schwachen, Kranken und Benachteiligten stieß auf Bewunderung. Das Bekennen des Glaubens hat öffentliche Folgen. Durch Worte und Taten wird klar, was die Bekennenden in ihrem Herzen und ihrem Verstand prägt, aus welcher Kraft und Einstellung sie leben. Im Erzbistum München und Freising steht hierfür bis heute der selige Jesuitenpater Rupert Mayer, der früh gegen die Nationalsozialisten kämpfte.
Heute noch seinen Glauben bekennen? Warum nicht: Einstehen für Nächstenliebe, für Hoffnung, für eine bessere Welt. Einstehen für einen Gott des Lebens, dessen Wesen sich in Tod und Auferweckung Jesu zeigt, der zusagt: Ich bin der Retter. Im Tod ist nicht das Ende. Ich will, dass das Leben der Menschen gelingt! Dieses Einstehen bezieht sich auch auf die Institution Kirche. Unser Podcast „Der Himmel bleibt wolkig" zeigt anschaulich, wie das aussehen kann, wenn Menschen ihrem Gewissen verpflichtet in der Kirche für ihren Glauben einstehen und für Veränderungen kämpfen.
Denn Kirche ist immer auch die Gesamtheit aller Gläubigen, nicht nur die Hierarchie vor allem aus Priestern und Bischöfen. Es braucht in der Kirche darum den Bekennermut aller, damit sie auf dem richtigen Weg bleibt. Theologisch spricht man hier vom sogenannten Glaubenssinn aller Gläubigen, also der Überzeugung, dass sich in allen, die glauben, eine Art „geistiger Instinkt“ zeigt, ob eine bestimmte Lehre oder Praxis in Einklang mit dem Evangelium und dem apostolischen Glauben steht.
Dr. Stephan Mokry